Kunstmuseum Basel - Museum für Gegenwartskunst - Sammlung Online

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Big Square
  • Big Square, um 1965
  • Öl auf Leinwand
  • 204 x 190 cm
  • Kunstmuseum Basel, Erworben mit Mitteln des Arnold Rüdlinger-Fonds, Freiwillige Akademische Gesellschaft Basel 2022
  • Inv. G 2022.2
Shirley Jaffe, 1923 in New Jersey als Shirley Sternstein geboren, siedelte nach ihrem Kunststudium als Stipendiatin an der Cooper Union in New York (bis 1945) und der Philips Gallery School of Art in Washington DC (bis 1949) mit ihrem Ehemann Irving Jaffe nach Paris über. Durch den Maler Jules Olitski, den das Paar bereits aus New York kannte und der zufällig auf dem gleichen Schiff nach Europa fuhr, kam Jaffe bald in Kontakt mit Jean Dubuffet und Karel Appel, sowie weiteren Mitgliedern der Gruppe CoBrA.
1951 lernte sie Sam Francis kennen und verkehrte fortan in den Kreisen emigrierter US-amerikanischer Künstler:innen wie Shirley Goldfarb, Al Held, Joan Mitchell und Kimber Smith. Francis verband eine enge Freundschaft mit Arnold Rüdlinger, welche letzterem die Tore zur US-Kunstszene sowohl in Paris als auch in New York öffnete. Über Francis vermittelt, besuchte Rüdlinger Jaffes Atelier in Paris und erkannte ihren Anteil an der neu aufkommenden abstrakt-gestischen Bildsprache. Erstmals nahm Jaffe 1956 an einer Gruppenausstellung in der Kunsthalle Basel teil (Japanische Kalligraphie und westliche Zeichen) – im selben Jahr findet ihre erste Einzelausstellung in Paris (Galerie du Haut Pavé) statt. Fraglich ist, ob Rüdlinger in seiner viel gepriesenen Ausstellung Die neue amerikanische Malerei, die er 1958 als Kooperation mit dem Museum of Modern Art in der Kunsthalle Basel zeigte, auch Werke Jaffes integrierte; dagegen steht fest, dass sie 1964 mit zwei abstrakt-expressionistischen Gemälden in der Präsentation der Sammlung von La peau de l’ours in der Kunsthalle vertreten war. Für die 1958 im Centre culturel américain stattfindende Ausstellung des Trios Jaffe, Francis und Smith schrieb ebenfalls Rüdlinger den Katalogtext. Mit Rüdlinger pflegte Jaffe überdies eine persönliche Beziehung, die bis zu seinem frühzeitigen Tod anhielt. In einem Interview mit Yves Michaud hielt sie fest: „Meine Mutter starb 1967 und ausserdem noch jemand, der mir wichtig war. Sie waren die Säulen meiner Welt.“ Es ist anzunehmen, dass Jaffe damit Rüdlinger meinte. Die Verbindung nach Basel bestand also auf privater und geschäftlicher Ebene. Ihren ersten Exklusivvertrag für den europäischen Markt unterzeichnete Jaffe 1962 mit der Basler Galerie Handschin.
Seit der legendären Nordamerika-Reise Rüdlingers 1958 im Auftrag der Schweizerischen Nationalversicherung befindet sich in Basel eine hervorragende Werkgruppe des Abstrakten Expressionismus. Mit dieser Schenkung wurde das Kunstmuseum damals zur ersten europäischen Institution, die zeitgenössische amerikanische Malerei sammelte. Bei Barnett Newmans Day Before One handelte es sich gar um den ersten Erwerb eines Werks des Künstlers für ein Museum weltweit. Das Kunstmuseum Basel darf sich dank Rüdlingers Initiative zu den Wegbereitern der nordamerikanischen Moderne in Europa zählen und ist damit seit den frühen 1960er-Jahren mitverantwortlich für die Rezeption und Kanonisierung des Abstrakten Expressionismus in Europa. Der Erwerb von Shirley Jaffes Frühwerk Medrano (1957) sowie zwei Aquarellen im vergangenen Jahr (der mit Mitteln des Arnold Rüdlinger-Fonds gelang) war ein erster wegweisender Schritt in Richtung einer nötigen Weitung des Blicks auf jenen bedeutendsten Sammlungsmoment für die Amerikanische Moderne am Kunstmuseum Basel. Der Ankauf eines weiteren bedeutenden Werks aus einer späteren Schaffensphase Jaffes wäre auch im Hinblick auf die in Kollaboration mit dem Centre Pompidou und dem Musée Matisse geplante Retrospektive (2022/2023) ideal.
Das zum Erwerb vorgeschlagene Big Square (1965) kann als Zeugnis eines Übergangs gelesen werden: Die 1961 im Musée des arts décoratifs stattfindende Ausstellung der Scherenschnitte von Henri Matisse hatte schockartig auf Jaffe gewirkt. 1963/64 ermöglichte ihr ausserdem ein Stipendium der Ford Foundation, durch einen Aufenthalt in Berlin Distanz zum Pariser Künstlermilieu zu gewinnen. In Berlin besuchte sie regelmässig Konzerte zeitgenössischer Musik und fand Anschluss in Komponistenkreisen rund um Iannis Xenakis, Elliott Carter und Karlheinz Stockhausen. Der Wandel, der sich in dieser Zeit in ihrem Werk abzuzeichnen begann, liegt in der Integration einer analytischeren Praxis, die geometrische Elemente aufnimmt, ohne zunächst auf eine gestische Malweise zu verzichten.
Im bereits erwähnten Interview mit Michaud 1989 beschrieb sie ihre Arbeit nach der Rückkehr aus Paris so: „I continued to use the gestural element, but with a light construction underneath it.“ Entsprechend überziehen in Big Square bewegt aufgetragene, leuchtend-farbige Linen und Flächen die Leinwand. Die Palette ist im Vergleich zu den früheren Pariser Gemälden deutlich aufgehellt und die Farbe ist mal opak, mal lasierend verwendet. Zugleich sind Elemente wie Kreise, Geraden, Drei- und Rechtecke auszumachen. Diese Phase führt die Künstlerin schliesslich ab Mitte der 1960er-Jahre zu einem neuen Stil – einer individuellen, stark farbigen und geometrischen Abstraktion, die sie bis zu ihrem Lebensende 2016 beibehielt.
In den 1960er Jahren wandelte sich Jaffes Werk wesentlich: Ohne vorerst auf eine gestische Malweise zu verzichten, begann sie zunehmend geometrische Elemente aufzunehmen. Das 1965 entstandene Ölgemälde Biq Square zeugt von dieser künstlerischen Entwicklung: Bewegt aufgetragene, leuchtend-farbige Linien und Flächen überziehen die Leinwand. Die Palette ist im Vergleich zu früheren Gemälden deutlich aufgehellt und der Farbauftrag unterscheidet sich. Zugleich sind Elemente wie Kreise, Geraden, Drei- und Rechtecke auszumachen.
Diese Art zu malen, wurde für Jaffe zum neuen Stil – einer individuellen, stark farbigen und geometrischen Abstraktion, die sie bis zu ihrem Lebensende 2016 beibehielt.
Literatur- Shirley Jaffe. Form als Experiment/ Form as Experiment, Ausst. Kat. Kunstmuseum Basel, 25. März - 30. Juli 2023, Hrsg. Kunstmuseum Basel, Olga Osadtschy, Frédéric Paul, Basel: Christoph Merian Verlag, 2023, Abb. S. 37